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16.–18. Juni 2022
Münster
Europe/Berlin Zeitzone

Zum Umgang von (ehemaligen) Schüler*innen mit Verunsicherung im Sportunterricht – Eine qualitative Interviewstudie als Grundlage für den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis?

17.06.2022, 12:30
1 h 30m
Ballsporthalle

Ballsporthalle

4| Poster Postersession

Sprecher

Martin Röttger

Beschreibung

Sportunterricht gilt gemeinhin als ideale Gelegenheit zur ganzheitlichen Förderung von Heranwachsenden innerhalb von Schule. Jedoch erleben Schüler:innen im Sportunterricht auch Situationen, die sie psychosozial verunsichern und nachhaltig belasten (können) (Wiesche & Klinge, 2017).
In meiner Dissertation rekonstruiere ich die Perspektive ehemaliger Schüler:innen auf verunsichernde Erfahrungen im Sportunterricht, deren Be- und Verarbeitungsstrategien sowie daraus resultierende Konsequenzen mittels Leitfadeninterviews und einer wissenssoziologisch-hermeneutischen Sequenzanalyse (Soeffner & Hitzler, 1994). Die Auswahl der Gesprächspartner:innen erfolgt auf Basis von Kriterien wie ‚Betroffenheit‘, Alter und Geschlecht, im weiteren Verlauf wird diese erkenntnisbasiert und interessenorientiert weiterentwickelt (Glaser & Strauß, 2010). Ich nehme an, dass Verunsicherungserfahrungen als besondere Wissensbestände sedimentiert sind und deshalb retrospektiv abgerufen sowie in ihrer subjektiven Bedeutsamkeit bewertet werden können (Schütz & Luckmann, 2017). Dazu fasse ich ‚Verunsicherung‘ zunächst als alltagssprachlichen Arbeitsbegriff, um die empirische Forschung nicht im Vorfeld auf einzelne Ausprägungen wie Angst, Scham oder Mobbing zu verengen.
Erste Einblicke zeigen ein breites Spektrum an Verunsicherungsphänomenen von Überforderung über Degradierung bis Grenzverletzungen. Diese werden aufgrund von Faktoren wie altersspezifischen Veränderungen in der Pubertät, Exponierung des Körpers, didaktischer Inszenierung oder unflexibler Normen virulent. Die Erklärungsmuster zeigen oft ähnelnde Verständnisse von Sportunterricht und verweisen zudem auf situative und transsituative Folgen von Verunsicherung. So deuten Betroffene, dass mit ihrem ‚Scheitern‘ im Sportunterricht eine soziale Sanktionierung, die Abwertung des sozialen Status sowie ein geringeres Wohlbefinden einhergehen; sie werten auf Basis sportunterrichtlicher Normen (oft selbst betriebene) Sportarten ab, die nicht Teil des Kanons sind; vergleichen die eigene Sportlichkeit mit der anderer und äußern zuletzt einen negativen Einfluss auf Selbstwertgefühl und Körperkonzept, das (außerschulische und spätere) sportliche Aktivität deutlich erschwert bis verunmöglicht.
Anhand exemplarischer Schilderungen soll die aufgeworfene Problematik vertieft und die Relevanz der Erforschung verunsichernder Erfahrungen für das Verständnis des subjektiven Erlebens von Sportunterricht in Wissenschaft und Praxis verdeutlicht werden.

Literatur
Glaser, B. G. & Strauss, A. L. (2010). Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Hogrefe.
Schütz, A., & Luckmann, T. (2017). Strukturen der Lebenswelt. UVK.
Soeffner, H.-G., & Hitzler, R. (1994). Hermeneutik als Haltung und Handlung. Über methodisch kontrolliertes Verstehen. In N. Schröer (Hrsg.), Interpretative Sozialforschung (S. 28–54). Leske & Budrich.
Wiesche, D., & Klinge, A. (2017). Scham und Beschämung im Schulsport: Facetten eines unbeachteten Phänomens. Meyer & Meyer.

Hauptautor

Präsentationsmaterialien